BIM Innovationen und Forschung

5G auf der Baustelle –
ein Gespräch mit Victoria Jung und Prof. Sigrid Brell-Cokcan

 

Die Baustelle der Zukunft steht in Aachen – zumindest als Experiment. Im Center Construction Robotics (CCR) möchte ein interdisziplinäres Wissenschaftsteam der RWTH Aachen gemeinsam mit einem europäischen Industriekonsortium die Grenzen zwischen digitaler und analoger Welt im Bauwesen überwinden. Prof. Dr. Sigrid Brell-Cokcan, Professorin am Lehrstuhl für Individualisierte Bauproduktion der RWTH Aachen und Victoria Jung, Projektleitung beim CCR, geben im Interview einen Einblick in die Forschung im Reallabor und welche Rolle BIM dort einnimmt.

 

Frau Brell-Cokcan, mit dem Center Construction Robotics streben Sie an, die digitale Wertschöpfungskette im Bauwesen von der Planung bis zur Realisierung mit Hilfe intelligenter Maschinen zu schließen. Welche Erkenntnisse konnten Sie durch die Forschung im Center bereits gewinnen und welche Rolle spielt BIM aus Ihrer Sicht in der Digitalisierung des Bauwesens?

Unser Reallabor ist einzigartig in Europa. Es ermöglicht Forschung unter realen Baustellenbedingungen, mit allen Wind- und Wettereinflüssen und mit dem Faktor Mensch. Wir erforschen aktuell „Machine-to-Machine“ (M2M) aber auch Mensch-Maschinen-Kollaboration, die Automatisierung von Bauprozessen und wie BIM auf Baustellen nutzbar gemacht werden kann. BIM ist aktuell die bestmögliche Kollaborationsplattform. Es reicht jedoch nicht, BIM nur im Planungsprozess zu optimieren, sofern wir es nicht schaffen, Daten und Informationen aus BIM-Modellen auf der Baustelle mensch- und maschinenlesbar zu gestalten.

Frau Brell-Cokcan, durch die zunehmende Automatisierung und Vernetzung der Maschinen – untereinander „Machine-to-Machine“ (M2M) oder mit Netzwerken „Machine-to-X“ (M2X) – entwickeln sich die Baumaschinen immer mehr zu kollaborativen IoT (Internet der Dinge)-Geräten. Inwiefern müssen Baustellenfahrzeuge und andere Maschinen für den Anwendungsfall umgerüstet werden? Welche Vorbereitungen gilt es hier zu treffen?

Man kann vor allem aus Maschinen, die elektrisch ansteuerbar sind, gut Informationen gewinnen. Dazu braucht es lediglich Programmierwissen in SPS-Programmierungen und  eine datengetriebene Digitalisierung von Baumaschinen. Rein hydraulisch gesteuerte Maschinen müssen auf eine elektrische Steuerung umgerüstet werden.  Maschinen sind eine spannende Ressource für Daten und Informationen, eignen sich aber auch als zukünftige Assistenzsysteme zur Informationsvermittlung auf der Baustelle. Im Projekt IoC – Internet of Construction haben wir einen handelsüblichen Turmdrehkran zum Baulogistiker und Baustellenassistenten umgerüstet. So kann der Kran in Echtzeit Informationen und Anfragen an das BIM Modell für einen As-Built Abgleich senden – ein großer Erfolg.

Frau Jung, im Rahmen des Projekts 5G Namico haben Sie erforscht, wie 5G im Bau- und Bergbaubereich in Zukunft genutzt werden kann.  Welche zentralen Ergebnisse hat das Projekt geliefert und inwiefern hat 5G Bedeutung für die Implementation von BIM?

Wir haben 5G-Kommunikationsnetze auf der Referenzbaustelle und in einem unterirdischen Salzbergwerk installiert und getestet. Es ist gelungen, an beiden Standorten ein 5G-Netz aufzubauen und erste Messungen durchzuführen. Erste Anwendungen des Netzes durch die Übertragung von Maschinensteuerungen und Sensordaten zeigten die Leistungsfähigkeit des Netzes durch Anwendungen, die nun weiter evaluiert werden müssen. 5G ermöglicht eine schnelle und effiziente Datenerfassung und -übertragung, was die Implementierung von BIM auf Baustellen und in Bergwerken erleichtert. Durch die nahtlose Integration von 5G-Technologie in BIM-Prozesse können Bauprojekte besser geplant, koordiniert und überwacht werden. Das steigert die Effizienz, Produktivität und Qualität der Bauprojekte.

Frau Jung, was sind Voraussetzungen für einen optimalen 5G-Einsatz? Lassen sich die Erkenntnisse auf andere Projekte übertragen?

5G wurde für die Industrie entwickelt. Um den Einsatz auf Baustellen auszuweiten, braucht es mehr Projekte, die die Potentiale der Technologie erarbeiten und auch die Anforderungen spezifizieren. Dazu gehört auch die weitere Abstimmung zwischen den Anwendungen der 5G-Technologie auf der Baustelle und der Leistungsfähigkeit der Technologie. Und es braucht qualifizierte Mitarbeitende, damit die Technologie eingesetzt werden kann. Wir haben Ergebnisse aus dem Projekt 5G Namico im Folgeprojekt EConoM weitergeführt und die Anforderungen für den zukünftigen 5G Einsatz auf Baustellen weiter spezifiziert. Wir beschäftigten uns dort mit der nomadischen Netzauslegung auf Baustellen, die sich an den Baufortschritt anpasst und so eine konstante Netzabdeckung während der Bauphase gewährleistet. 

Welche konkreten Herausforderungen für den Einsatz von BIM konnten Sie mit ihrer Forschung identifizieren?

SB: Aktuell beschäftigen wir uns in der Forschung mit den technischen Herausforderungen, BIM-Modelle auf Baustellen maschinenlesbar zu machen. In Zukunft werden Fragen zur Sicherheit von Baustellen, zu ethischen Fragen wie Persönlichkeitsrechten und Sicherheit von Baustellenmitarbeitenden eine große Rolle spielen. Themen, die wir noch gemeinschaftlich und partizipativ als Gesellschaft lösen müssen. 

VJ: Außerdem besteht eine Herausforderung in der Komplexität der Datenintegration aus verschiedenen Quellen und der Notwendigkeit einer einheitlichen Standardsprache für den Datenaustausch. 

Frau Brell-Cokcan: Wird der Faktor Mensch auf der Baustelle der Zukunft noch eine wesentliche Rolle einnehmen?

Menschen als Entscheidungsträger auf Baustellen wird es immer geben, weil Baustellen zu komplex und einzigartig sind. Die Frage wird sein, wieviel an körperlich schwerer Tätigkeit wir in Zukunft autonom oder auch teilautonom vor allem im Zuge des Fachkräftemangels Maschinen überlassen sollen. Die Vision einer „elektrifizierten Baustelle“ ist ja nicht neu und besteht bereits seit Beginn der industriellen Revolution Anfang des 20.Jahrhunderts.

Wie kann die intelligente Vernetzung von Baumaschinen und digitalen Modellen (BIM / Digitale Zwillinge) den Bauablauf effizienter machen und helfen, Kosten zu reduzieren sowie Fehler zu vermeiden?

VJ: Entscheidend bei der Vernetzung ist ein zentraler Datenaustauschpunkt. Alle Akteure auf der Baustelle müssen eine einheitliche Sprache sprechen und die Informationen, die sie brauchen oder abgeben, an einem zentralen Punkt abrufen bzw. ablegen können. Dadurch können Akteure die jeweiligen Informationen zu jeder Zeit abrufen und miteinander in Verbindung bringen. Wichtig ist, dass dieser Austausch schon zu Beginn des Projekts startet und über den Lebenszyklus des Gebäudes fortbesteht. Der Bauablauf wird dadurch effizienter, Kosten können reduziert werden und der zentrale Informationspunkt dient auch für die Wiederverwendung, da die Informationen später wieder abgerufen können. 

SB: Wir haben im Buch IoC – Internet of Construction Informationsnetzwerke für die unternehmensübergreifende Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette der Fertigungsketten der Bauwirtschaft untersucht und erste Maßnahmen entwickelt, die Termintreue und Bauqualität entlang der Wertschöpfungskette im Bauwesen durch einen kontinuierlichen Informationsfluss zu optimieren.

Wir bedanken uns herzlich bei Prof. Brell-Cokcan und Victoria Jung für die Einblicke ins CCR und wünschen ihnen weiterhin viel Erfolg und gutes Gelingen!

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